Freitag, 14. Februar 2020

Die Buchspringer, Mechthild Gläser

Die 15jährige Amy lebt mit ihrer Mutter Alexis zusammen. Wer ihr Vater ist, weiß Amy nicht. Nachdem Mutter und Tochter unschöne Monate hinter sich haben, packen die beiden zu Beginn der Sommerferien schnell die Koffer und fliegen in Alexis‘ Heimat, die Amy noch nie gesehen hat. Alexis stammt von einer entlegenen Insel vor der Küste Schottlands, auf der nur eine Handvoll Menschen leben. Amy war schon immer eine Leseratte. Doch erst auf der Insel, auf der ihre Großmutter lebt, erfährt Amy, dass sie zum alten Clan der Lennox gehört. Die Lennox und die verfeindeten Macallisters, denen ein richtiges Schloss auf der Insel gehört, haben eine besondere Gabe: Sie sind Buchspringer.

In unterirdischen Stollen befindet sich auf der Insel eine sagenhafte alte Bibliothek. Es ist die Aufgabe der beiden Familien, sich um die Literatur zu kümmern. Hierzu haben die jüngeren Clanmitglieder die Fähigkeit, ein Buch nicht nur zu lesen, sondern mitten in die Geschichte hineinzuspringen. Amy ist begeistert, als sie erfährt, dass sie sich mit ihren Lieblingshelden tatsächlich unterhalten kann!

„Schir Khan bleckte die Zähne. Sein Atem schlug mir stinkend ins Gesicht. Ich verstand nun, warum Alexis auf einem harmlosen Kinderbuch für mich bestanden hatte. Aber dummerweise waren auch die anscheinend nicht völlig ungefährlich. Wenn ich um Hilfe schrie, würden mich die Wölfe dann retten können? Ich holte tief Luft, aber bevor ich einen Ton herausbringen konnte, legte der Tiger eine Kralle vor seine Lippen.
Er legte eine Kralle vor seine Lippen?
„Du darfst die Handlung nicht störe, Leserin“, flüsterte Schir Khan. Seine Stimme war kaum mehr als ein leises Schnurren. „Wenn sie dich sehen, werden sie das Menschenkind nicht behalten. Dann hast du das Balg am Hals und unsere Geschichte geht den Bach runter.“ (S. 50)

Lustig fand ich, dass die Buchfiguren um ihre Rollen in ihren Geschichten wissen und Buchspringer als solche erkennen. Die Figuren sind wie die Leser in der Lage, sich von einer Geschichte in eine andere zu bewegen. Der von Goethe geschaffene Werther wird ein Vertrauter Amys, denn in der Buchwelt ist etwas in Unordnung geraten. Einige Geschichten funktionieren plötzlich nicht mehr wie früher. Der Leser ahnt, dass dies mit der „Geschichte in der Geschichte“ zu tun haben muss, die zwischen den eigentlichen Kapiteln – in anderer Schrift gedruckt – erzählt wird. Ein altertümliches Märchen wird Stück für Stück erzählt, dessen Bedeutung erst zum Schluss der Geschichte klar wird.

Die geneigte Leserin wird in diesem Buch viele geliebte Buchcharaktere treffen, etwa Alice im Wunderland, Werther, Dorothy aus dem Wizard von Oz, Sherlock Holmes und Figuren von Jane Austen. Natürlich gibt es eine Liebesgeschichte, und Amy erfährt auch mehr über ihre eigene Herkunft. Vor allem aber gilt es, das Rätsel um die veränderten Romane zu lösen, damit die Geschichten weiterhin erhalten bleiben. Dies gleicht einem Krimi, der eine sehr überraschende Auflösung findet. Der Roman ist sehr spannend und voll hübscher Details, etwa dass man innerhalb der Geschichte vor- und zurückblättern kann, auch wenn man mitten drinsteckt. 

Mich hat diese Geschichte verzaubert! Ein echtes Wohlfühlbuch. Leseempfehlung nicht nur für Heranwachsende!

Die Buchspringer, Mechthild Gläser, Loewe Verlag, Bindlach 2015, 384 Seiten, 17,95 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.)

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