Wir befinden uns in New York City, Ende 1979. Die Familie Winter
lebt im bekannten Dakota Building an der Central Park West, einer der teuersten
Adressen der Stadt. Man ruft einander auf dem Festnetztelefon an und hört seine
Musik von Kassetten. Es gibt kein Internet und CNN steht kurz davor, als erster
Fernsehsender mit 24 Stunden Nachrichtenprogramm auf Sendung zu gehen. Buddy
Winter war bis vor kurzem ein erfolgreicher Talkshowmoderator mit eigener Show –
bis er einen Nervenzusammenbruch erlitt, während laufender Sendung aus dem Studio
stürmte und verschwand. Sein Sohn Anton, Anfang 20, erzählt uns die Geschichte,
wie sein Vater versucht wieder auf die Füße zu kommen. Dabei spielt Anton eine
nicht unwesentliche Rolle, denn er hat in der Vergangenheit eng mit seinem
Vater zusammengearbeitet, seine Witze überarbeitet, über seine Talkgäste
recherchiert und die Fragen vorbereitet.
Nicht nur Buddy hat sich nach dem Zusammenbruch eine Auszeit
genommen. Auch Anton ist für ein Jahr nach Afrika zum Peace Corps gegangen und
gerade erst nach New York zurückgekehrt. Seine Mutter und sein jüngerer Bruder
Kip sind froh, dass er wieder da ist. Das Familienleben hat sich verändert,
seit Buddy nicht mehr jeden Tag eine Show zu stemmen hat. Es bleibt Zeit für Gespräche
und gemeinsame Ausflüge. Dennoch will Buddy zurück ins Showgeschäft. Der Weg
ist steinig. Die Sender sind skeptisch, ob Buddy wirklich wieder stabil genug
ist.
„Die Wochen vergingen und ich fühlte mich immer zielloser,
was ich aber mitunter genoss. (…)
Unterm Strich wurde meine Rückkehr aus dem Skript gestrichen.
Entweder kaperte Buddy meine Geschichten, in dem er sie erzählte, bevor ich
dazu kam („Und dann taucht er auf, und da schwimmt doch tatsächlich keine zehn
Meter vor ihm ein Nilpferd…“), oder die Leute waren sowieso mehr an seinen
Zukunftsplänen interessiert als an meinen. Es war wie die Partyszene in Die Reifeprüfung, nur dass in unserer Version
die Gäste Benjamin nach der Gesundheit und den Plänen seines Vaters fragten.“
(S. 38)
Der Roman dreht sich um die Beziehung zwischen Buddy und Anton,
in der Buddy der strahlende Star ist, der viel Bestätigung braucht, und Anton
alles tut, um der Karriere seines Vaters zu nützen. An der inneren Einkehr Buddys
kann er jedoch nicht teilnehmen, da Buddy die Familie zurückgelassen und sich
allein auf eine Reise begeben hatte. Als Gegenfigur dient John Lennon, der ein
Nachbar der Winters im Dakota ist. Man trifft sich zu zwanglosen Partys und unterhält
sich im Fahrstuhl. Wie Buddy hat John eine Auszeit vom Showgeschäft hinter
sich. Die letzten fünf Jahre hat er sich als Hausmann um den kleinen Sohn Sean
gekümmert, während seine Frau Yoko das Geschäftliche managte. Er hat seit
Jahren keinen Song geschrieben, fühlt nun aber neue Kreativität und den Wunsch nach
einem neuen Album. John entwickelt sich zu einem väterlichen Freund Antons.
Beide teilen ein bedeutsames Erlebnis, das ihnen den Weg in die Zukunft weist.
Anton entdeckt Dinge in seiner Beziehung zu John, die es in seiner Beziehung zum
Vater nicht gibt. Es fällt ihm schwer seinen eigenen Weg zu finden, ohne Buddy
im Stich zu lassen.
Die Story an sich ist gut. Der Roman zeichnet ein
authentisches Panorama der Zeit Anfang der 1980er in New York. Jedoch hat die Geschichte
in der Mitte einige Längen in den Passagen, in denen Buddy erfolglos Klinken
putzen muss, um wieder ins Geschäft zu kommen. Wohl um das politische Klima
einzufangen ist da noch die Nebenhandlung um den Präsidentschaftswahlkampf.
Antons Mutter unterstützt Ted Kennedy, der allerdings bei den Vorwahlen Jimmy
Carter unterliegt. Diesen Nebenschauplatz fand ich unnötig. Die Geschichte verläuft
etwas im Sande. Eindeutig am Besten gefallen haben mir die Teile über John
Lennon, die zwar fiktiv sind, aber sich tatsächlich so ereignet haben könnten.
Mit Buddy und John werden zwei ganz unterschiedliche Männer und Vaterfiguren
kontrastiert, beide vor dem verrückten Hintergrund des Showbusiness. Leider
bleibt die Figur des Sohns Anton charakterlich recht blass. Es wird zwar
deutlich, welche Gedanken dieser sich macht, warum er so und so handelt. Die
Figur bleibt dabei aber blutleer, verkopft und emotional für mich nicht
fassbar. Interessant finde ich, dass die Nennung John Lennons im Buchtitel nur
im Deutschen auftaucht. Das Amerikanische Original heißt hingegen „The Dakota Winters“.
Vielleicht hatte ich mir deshalb mehr Schwergewicht auf John Lennon erhofft,
der jedoch nur eine Nebenfigur ist.
Ein interessanter
Roman über männliche Identität, Vater-Sohn-Beziehungen und das New York von
1980, dem allerdings etwas Kürzung und ein emotionalerer Erzähler gutgetan
hätten.
Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens,
Tom Barbash, aus dem Englischen übersetzt von Michael Schickenberg, Kiepenheuer
& Witsch Verlag, Köln 2020, 350 Seiten, 22,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung
gestellte Rezensionsexemplar.)