Montag, 11. Dezember 2023

Just Mary, Paola Morpheus

Mit einem Comic macht Maria, die Mutter Gottes, dem lieben Gott und der katholischen Kirche quasi die Hölle heiß. Sie legt den Finger in die Wunde religiöser Themen, die aus ihrer Sicht unstimmig oder unzeitgemäß sind. Das geht von der unbefleckten Empfängnis über die Darstellung der stillenden Maria bis hin zur Kreuzigung.

Während der Papst twittert und Jesus ihr unangenehme Fragen stellt, raunzt Maria den Sohn an, er solle sie in Ruhe lassen, denn sie habe ihre Tage. Dabei sitzt Maria in einem roten Jogginganzug herum und stopft Kekse in sich hinein. Warum auf ihrem blauen Kopftuch-Umhang Pentagramme (fünfzackige Sterne) und nicht etwa Davidsterne abgebildet sind, erschließt sich mir nicht.

Mehr Sympathien habe ich da schon, wenn Maria sich darüber beschwert, dass sie nicht gefragt wurde, bevor der Heilige Geist sie geschwängert hat, ohne dass sie auch nur ein bisschen kuscheln durfte. Warum sie dann aber den Fernsehmoderator Harald Lesch dazu befragen muss, nur um dann selbst darauf zu kommen, dass das mit der ewigen Jungfräulichkeit „totaler Blödsinn“ ist, weiß ich jetzt nicht.

Maria erklärt sich zur Leihmutter und macht uns die Patchworkfamilie klar. Gott und der Heilige Geist sind Jesus Erzeuger, sie die Leihmutter mit Josef als Adoptivvater. Und aus Gottes Liebe für alle Menschen einschließlich Männern schließt sie auf die Zulässigkeit von Homosexualität.

Die Themen sind alle richtig und sollten angesprochen werden. Aber die Glaubenskritik wird nicht wirklich glaubwürdig dadurch, dass Gott als seniler Sadist und Jesus als jammerndes Weichei dargestellt werden. Maria selbst kommt mit ihrem Smartphone und Hang zum Konsum auch nicht viel besser weg. Leider ist der Humor nicht meiner. Sollen hier die katholische Kirche oder der christliche Glaube komplett in die Tonne getreten werden? Kann man machen. Aber so wahnsinnig feministisch, wie der Anstrich des Buches ist, finde ich die Darstellung auch nicht.

Die Idee eines feministischen Glaubenscomics ist super. Die Umsetzung konnte mich leider gar nicht gewinnen.

Just Mary, Paola Morpheus, aus dem Italienischen übersetzt von Andrea Richter, Edition Faust, Frankfurt/Main, 2023, 136 Seiten, 19,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

Sonntag, 10. Dezember 2023

Alice im Irrenland, Evald Flisar

Wisst ihr, was Alice gemacht hat, als sie aus dem Wunderland zurück war? Sie sprang ihrem Onkel Springer hinterher ins Wasser und tauchte mit ihm in einem sehr seltsamen Land wieder auf. Eigentlich wollten sie nach Trinidad und Tabago, aber bald stellte sich heraus, dass sie in Potterunien gelandet waren. Dort herrschten seltsame Sitten, so dass Alice glaubte, sie sei im Irrenland. Aber – sind wir den Potteruniern wirklich so unähnlich? Oder möchten wir das nur glauben…?

Die Einwohner von Potterunien sind alle seltsam grau im Gesicht. Kein Wunder, denn um sie herum ist alles aus Potti, einem grauen Ton. Der ist furchtbar zerbrechlich. Das ist gut und schlecht zugleich. Gut ist, dass Potti direkt im Land ausgebaggert werden kann. Nun ja, Potterunien ist eine kleine Insel, vollgebaut und besiedelt, so dass der Ton direkt unter der Stadt herausgeholt und die Insel quasi ausgehöhlt werden muss. Sie muss daher immer stärker mit Pfeilern von unten abgestützt werden, damit sie nicht einstürzt und das Meereswasser hereinflutet. Das Gute ist aber, dass die Dinge aus Potti so schnell zerbrechen, dass immer genug Material für Stützpfeiler vorhanden ist. Es ist so nötig Dinge zu zerbrechen, dass man dafür sogar belohnt wird. Und was macht man, wenn einem dauern die Dinge zerbrechen?

„In einer Konsumgesellschaft muss man konsumieren, konsumieren, konsumieren“, erklärte er ziemlich gelehrt, wie es seine Gewohnheit war. „Je mehr konsumiert wird, desto mehr muss produziert werden, desto mehr Menschen haben Arbeit, desto mehr Menschen werden bezahlt, um überleben zu können, und mehr Menschen können mehr konsumieren.“ (S. 108)

Alice und Onkel Springer machen bald Bekanntschaft mit den Politikern des Landes. Der Präsident ist ein alter Mann, der von Untergebenen gestützt werden muss. Intrigen sind an der Tagesordnung. Im Wahlkampf müssen Alice und der Onkel herhalten. Neue Ideen und Zukunftsversprechen müssen her, die allerdings niemand auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen können soll. Denn dass Potterunien keine Zukunft mehr hat, ist eigentlich klar. Da heißt es kurzfristig denken, um gewählt zu werden. Das kommt euch bekannt vor? Nein, sowas gibt es wirklich nur im Irrenland!

Diese dystopische Satire mit einigen farbigen Illustrationen ist schon für Jugendliche geeignet, aber auch für Erwachsene sehr erhellend. Ich habe das Buch auf der Frankfurter Buchmesse beim Gastland Slowenien entdeckt. Der Schreibstil ist ungewöhnlich. Der mir unbekannte Autor (Jahrgang 1945) ist in Slowenien offenbar sehr bekannt für seine Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke und mehrfach preisgekrönt.  

Eine lustige Satire, die einem die eigene Gier in den Adern gefrieren lässt. Eine lohnende Entdeckung aus Slowenien!

Alice im Irrenland, Evald Flisar, aus dem Slowenischen übersetzt von Ann Catrin Bolton, Illustrationen von Hana Tintor, Hermagoras Verlag, Klagenfurth, 2023, 230 Seiten, 26,50 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Klöpplerin Loni, Tončka Stanonik

Slowenien war Gastland auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Dort habe ich zauberhafte Kinderbücher entdeckt, unter anderem dieses besondere Bilderbuch. Erzählt wird ein Märchen über das Mädchen Loni, das eine ganz besondere Arbeit tut. Sie ist Klöpplerin, das heißt sie stellt Spitzen her aus einzelnen Fäden, die in Handarbeit kunstvoll miteinander verwoben werden. Die Kunst des Klöppelns hat in Slowenien eine jahrhundertealte Tradition, auf die mit diesem Buch aufmerksam gemacht wird. Im Anhang finden sich erklärende Worte dazu.

Ganz besonders an diesem Buch sind die Bildseiten. Es gibt farbige Illustrationen, die jedoch oft besonders aufgewertet werden durch eine geklöppelte Figur oder gestickte Elemente, so dass der erzählte Text gleich nachvollziehbar wird. Man sieht, was man aus Spitze alles herstellen kann und wie vielfältig die Formen sind. Die auf das Bild gelegten und dann fotografierten Elemente wirken so plastisch, als könnte man sie fühlen.

In der Geschichte wird beschrieben, dass Loni von ihrer Familie das Klöppeln erlernt, womit alle Familienmitglieder Geld verdienen. Loni bleibt als letzte übrig und führt das Handwerk weiter. Sie verkauft die Spitzen an einen Händler, der sie wiederum weiterverkauft, z.B. zur Veredelung von Kleidungsstücken. Die aufwändige Handarbeit tun einfache Menschen wie Loni, der Gewinn jedoch bleibt größtenteils bei den Händlern.

„Sie drehte und kreuzte die Klöppelpaare und folgte sorgfältig dem Muster auf dem Klöppelbrief, der mit Stecknadeln auf dem Klöppelkissen befestigt war. Sie zog die Fäden fest und verband sie mit der Häkelnadel.“ (S. 9)

Mir gefällt die liebevolle Art, wie hier auf ein traditionsreiches Handwerk aufmerksam gemacht wird. Die Spitzen auf den Bildern sind richtige Kunstwerke! Die kurze Geschichte ist für Kinder ab 3 Jahren sehr empfehlenswert.

Klöpplerin Loni, Tončka Stanonik, Illustrationen von Dunja Kofler, aus dem Slowenischen übersetzt von Katarina Angerer und Hanzi Filipič, Hermagoras Verlag, Klagenfurt, 2022, 32 Seiten, 21,90 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

Alles überstanden?, Christian Drosten, Georg Mascolo

Die Corona-Pandemie hat uns alle geprägt, bewegt, zur Verzweiflung gebracht. Mich hat der Podcast von Christian Drosten durch die Pandemie...