Samstag, 30. Oktober 2021

Zum Tee, Alan Bennett

Alan Bennett zum Tee dahaben – das würde ich wirklich gern einmal! Sicher kennt Ihr den britischen Erzählmeister und seinen Bestseller „Die souveräne Leserin“. Da aber weder die Queen noch der Autor vorbeischauen, mache ich mir selbst eine Kanne Tee. Länger als diesen auszutrinken dauert es nicht, sich die drei Kurzgeschichten dieses kleinen Bändchens zu Gemüte zu führen.

In „Miss Fozzard findet ihre Füße“ lernen wir eine Dame kennen, die viel Wert auf gepflegte Füße legt und sich diese nicht von jedem regelmäßig pediküren lassen würde. Nur auf Empfehlung ihres bisherigen Fußpflegers lässt sie sich auf eine neue Person ein. Natürlich plaudern die beiden in sittsamem Ton, wovon Miss Fozzard zuhause regelmäßig ihrem Bruder Bernard berichtet, den sie nach einem Schlaganfall versorgt. Was soll daran besonders sein?

Ebenfalls eine Dame mittleren Alters aus der Mittelschicht ist es, die in „Nächte in spanischen Gärten“ von einer Nachbarin zu einem Unglücksfall gerufen wird. Der Ehemann der Nachbarin liegt reglos auf dem Boden. Nun, das kann passieren. Man muss den Notruf wählen. Nach einer Tasse Tee zur Beruhigung.

Celia betreibt ein Antiquitätengeschäft, in dem sie kleine Möbelstücke und alte Teetassen verkauft. Sie hat ihre Prinzipien. Ihr kommen nur geschmackvolle Waren in den Laden. Eines Tages greift „Die Hand Gottes“ in ihr Geschäftsleben in einer Weise ein, die Celia sich nie hätte träumen lassen.

Allen Geschichten gemeinsam sind die alltäglichen Situationen, in denen sie spielen, und die ganz normalen Damen mittleren Alters, die sie erleben. Der Ton ist leise und britisch gesittet, unaufgeregt. Denn man wahrt natürlich die Höflichkeit und Contenance. Bis ganz zum Schluss die lapidar erzählten Ungeheuerlichkeiten, die man anfangs fast überlesen hat, einen Sinn ergeben und einen bösen Lacher. Ein Beispiel für die kleinen Spitzen ist etwa folgendes Zitat aus der ersten Geschichte:

„Was hat Bernard denn gearbeitet, Miss Fozzard?“, fragte er. „Um ehrlich zu sein, Mr. Dunderdale, er war Mörder“, sagte ich. „Ach“, sagte er. „Das ist ja ungewöhnlich.“ Ich sagte: „Na ja, er war Tabakhändler, was aufs Gleiche hinausläuft. Süßigkeiten und Tabakwaren, ein kleiner Kiosk in Headingley.“ (S. 17)

Ich mag diesen Erzählton, der mich gedanklich sofort in eine englische Kleinstadt katapultiert, und die Figuren, die immer mehr hergeben, als man zunächst vermutet.

Wer feinen britischen Humor liebt, ist bei Allan Bennett immer gut aufgehoben. Ich empfehle zur Lektüre dieses vergnüglichen Bändchens dringend eine Tasse Earl Grey bester Qualität.

Zum Tee, Alan Bennett, aus dem Englischen übersetzt von Ingo Herzke, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2021, 80 Seiten, 9,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

Freitag, 8. Oktober 2021

Der perfekte Kreis, Benjamin Myers

Mit seinem ersten Roman „Offene See“ hatte Benjamin Myers mir ein wunderbares, unvergessenes Leseerlebnis beschert. Daher war ich ungeheuer gespannt auf sein neues Buch, „Der perfekte Kreis“. Dieser Roman spielt ebenfalls in Myers Heimatland England, jedoch in einer ganz anderen Zeit. Wir gehen zurück in das Jahr 1989 und begleiten zwei junge, ungleiche Männer bei einem höchst interessanten Projekt: Sie machen Kornkreise.

Kornkreise sind von alters her Gegenstand vielgestaltiger Mythen gewesen. Ihre Herkunft wird nicht selten Außerirdischen zugeschrieben. Über ihre Bedeutung – je nach konkreter Form – wird gerätselt. Vor allem sind sie aber schön und vergänglich. Redbone und Calvert begeben sich nachts auf abgelegene Felder, damit sie niemand sieht. Zuvor haben sie bereits wunderschöne symmetrische Muster aus Kreisen entworfen, dies sie im wogenden Kornfeld nachbilden wollen, indem sie einige Halme umbiegen, andere aufrecht stehen lassen. Dabei verletzen sie die Ernte der Farmer nicht, sie brechen die Halme nicht ab. Allerdings muss das Korn schon eine gewisse Höhe haben, so dass bis zur Aberntung des Feldes nicht mehr viel Zeit bleibt, in der das Kunstwerk zu bewundern sein wird. Ihr Ziel ist es, Schönheit zu schaffen, die alle anschauen können. Sie scheren sich nicht um tiefere Bedeutungen. Aber sie streben nach Präzision. Von Mal zu Mal werden die Kreise komplizierter, verschlungener, denn sie wollen den perfekten Kreis schaffen. An Berühmtheit ist ihnen nicht gelegen, deshalb geben sie sich nie als Schöpfer der Kunstwerke zu erkennen.

Wozu das alles? Beide Männer tragen seelischen Ballast mit sich herum. Calvert hat in der Armee in Vietnam gedient und kann den inneren Schreckensbildern nicht entfliehen. Redbone ist Musiker und tritt mit eher abseitigen, wenig gefälligen Musikstilen auf. Seine Beziehungen, die er gleichzeitig versuchte zu jonglieren, scheitern. Er lebt im Auto. Beide wünschen sich Freiheit, innere und äußere.

„Für Calvert ist das Leben ein aufgeschlagenes Ei. Er ist die Schale, und Redbone weiß, dass er noch immer versucht, sie zusammenzuhalten.“ (S. 68, zitiert nach Leseexemplar)

Der Erzählstil ist langsam und unaufgeregt, der Sound erinnert mich stark an „Offene See“. Die konkrete Ausführung der nächtlichen Kornkreise nimmt breiten Raum ein. Jedem kreisrunden Kunstwerk ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Die Leserin lernt die beiden Freunde, die sich eigentlich nur auf den Kornfeldern treffen und ihre sehr unterschiedlichen Alltagsleben getrennt voneinander leben, immer besser kennen. Wirklich nahe konnte ich jedoch keinem von ihnen kommen. Beide reden nicht viel, ihr Innerstes bleibt ihr Geheimnis. Beide Hauptfiguren sind auf der Suche nach etwas. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass die Handlung auf etwas zuläuft. Nun, auf den perfekten Kreis am Ende des Sommers läuft sie natürlich zu. Aber ansonsten ist die Geschichte eher ereignis- und spannungslos. Einen richtigen Höhepunkt in der Entwicklung der Personen oder ihrer Freundschaft konnte ich auch nicht ausmachen. So bleibe ich mich einem etwas flauen Gefühl zurück.

Schöne Naturbeschreibungen im bekannten Myers-Sound, liebenswerte Charaktere, aber leider kaum Handlung. Der Roman kann an das großartige Leseerlebnis von „Offene See“ leider nicht anschließen.

Der perfekte Kreis, Benjamin Myers, aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmerman, DuMont Verlag, Köln 2021, 224 Seiten, 22,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

Just Mary, Paola Morpheus

Mit einem Comic macht Maria, die Mutter Gottes, dem lieben Gott und der katholischen Kirche quasi die Hölle heiß. Sie legt den Finger in die...