Dienstag, 14. September 2021

Der Mauersegler, Jasmin Schreiber

Nach „Marianengraben“ ist nun der zweite Roman von Jasmin Schreiber erschienen. Schon in ihrem Debüt spielte der Tod eine große Rolle. In „Der Mauersegler“ geht es erneut für den Protagonisten darum, den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Einige Motive kommen mir bekannt vor:

„Meer und Tod gehören irgendwie zusammen, findest du nicht?“, fragte Prometheus. (S. 25)

Prometheus kann seinen ersten Vornamen Marvin nicht leiden und benutzt daher seinen zweiten. Er ist Arzt, ein angesehener Mann. Sein bester Freund Jakob gehört seit Jahrzehnten zu seinem Leben. Bis dieser krank wird und eines Tages nicht mehr da ist. Es ist nicht nur der Verlust Jakobs, der Prometheus quält, sondern auch das Gefühl von Schuld. Hätte er seinen Freund retten können? Hat er einen Fehler gemacht, sich selbst im Weg gestanden?

Prometheus kann die Situation nicht ertragen, läuft weg, ans Meer. Am liebsten würde er den Kopf in den Sand stecken, alles vergessen. Aber der Mensch muss atmen und essen, auch wenn die Welt scheinbar auseinandergebrochen ist. Beim Essen, Atmen und am Leben bleiben helfen Prometheus zwei ältere Frauen. Zwei schräge Vögel sind das, aber irgendwie liebenswert und auch geheimnisvoll. So geheimnisvoll wie Prometheus, der nicht erzählen will, was eigentlich passiert ist. Denn wenn wahr ist, was da passiert ist, muss er auch sein Bild von sich selbst revidieren.

War „Marianengraben“ noch voller Leichtigkeit und Humor, so ist dieser Roman voller Schmerz. Er traf mich mit voller Wucht. Auch mir blieb manchmal die Luft weg. Ja, so fühlt es sich an, wenn es nicht mehr weiter geht. Die schreckliche Frage, „was hätte ich getan?“ drängt sich auf, auch das schmerzt. Die Schilderung von Verlust und Schuld ist authentisch gelungen. Aber das Buch hat mich sehr traurig gemacht. So eine Situation wünscht man niemandem. Zwar ist die entstehende Freundschaft zwischen Prometheus und den beiden stillen Frauen ein Lichtblick. Aber auch sie ist voller Schwere und unausgesprochener Geheimnisse. Schade, mir hatte im Vorgängerroman die humorvolle Sichtweise so gefallen, die ich hier nicht wiederfinden konnte.

Dies ist kein Wohlfühlbuch! Es zeigt, dass das Leben immer irgendwie weitergeht. Aber Menschen, die selbst gerade in einer Krise sind, würde ich es nicht empfehlen. Es könnte zu sehr belasten. Triggerwarnung!

Der Mauersegler, Jasmin Schreiber, Eichborn Verlag/Bastei Lübbe, Köln 2021, 240 Seiten, 22,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

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