Mittwoch, 12. Mai 2021

The Bee and the Orange Tree, Melissa Ashley

Die Australierin Melissa Ashley hat ihren Roman im Paris des Jahres 1699 angesiedelt. Basierend auf dem Leben der Baroness Marie Catherine d’Aulnoy, einer französischen Autorin im Zeitalter Ludwigs des XIV., erzählt sie eine fiktive Geschichte im Schriftstellermilieu und zugleich ein Gesellschaftspanorama dieser Zeit. Insbesondere im Zeitraum zwischen 1690 und 1725 gab es in der französischen Literatur eine Blütezeit der Märchen für Erwachsene. Um der Zensur des Hofes zu entgehen, verpackten die Autor:innen der Zeit – unter ihnen eine große Anzahl von Frauen – ihre Gesellschaftskritik in Märchen.

Zu Beginn des Romans ist Baroness d’Aulnoy bereits in den mittleren Jahren, Mutter von drei erwachsenen Töchtern und eine erfolgreiche Schriftstellerin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und veranstaltet regelmäßig literarische Salons in ihrem Haus. Dort trifft sich die Pariser Literaturszene, junge Autor:innen tragen ihre neusten Entwürfe vor und testen deren Qualität vor Publikum, auch um Aufmerksamkeit für eine mögliche Publikation zu erhaschen. Es werden Spiele gespielt, beispielsweise muss ad hoc ein Text einer bestimmten Gattung fabriziert werden, gut gegessen und die neuste Garderobe zur Schau getragen. Und natürlich wird jungen Autoren Ratschlag zum Schreiben erteilt.

‚You must be flexible. Try every form. Verse is all very well‘, she glanced at Angelina, ‚but hardly a way to earn one’s living. Unless the King takes an interest. But you‘ll have to court his favour. And that, dear boy, is a career in itself.‘ (S. 72)

Marie Catherine d’Aulnoy lebt getrennt von ihrem Ehemann und ist froh darüber. Wie so viele Frauen ihrer Zeit lebt sie in einer unglücklichen arrangierten Ehe, in die sie in jungen Jahren gedrängt wurde. Sie nimmt ihre jüngste Tochter Angelina in ihren Haushalt auf, die bislang in einem Kloster gelebt hat, damit diese die Stelle ihrer Sekretärin einnimmt. Angelina hatte bereits zuvor im Briefkontakt als Erstleserin ihrer Mutter bei der Abfassung ihrer Texte zur Seite gestanden.

Eine weitere unglückliche Ehe bereitet der Baroness Kopfzerbrechen. Ihre Freundin Nicola Tiquet wird von ihrem eifersüchtigen Ehemann jede Nacht eingeschlossen. Er ist gewalttätig und vor allem mit dem Vermögen seiner Frau verschwenderisch. Nachdem ein Anschlag auf den Ehemann verübt wurde, wird Nicola Tiquet wegen Mordverdachts verhaftet. Jeder in Paris weiß, dass es auf Schuld oder Unschuld der Ehefrau kaum ankommt. Krone und Kirche haben ein Interesse daran, Frauen am Aufbegehren gegen ihre Männer und die Gesellschaftsstrukturen zu hindern und wollen ein Exempel statuieren. Frauen sollen in ihre Schranken gewiesen werden.

Der Roman beleuchtet Frauen in unterschiedlichen Situationen, jüngere und ältere, verheiratete und unverheiratete, allerdings nur aus dem Adel. Sie alle müssen in einer extrem patriarchalen, hierarchischen Gesellschaft zurechtkommen und finden unterschiedliche Wege dazu. Liebschaften, Homosexualität, hohe Kindersterblichkeit oder die Flucht ins Kloster, um der Heirat zu entgehen, werden thematisiert. Das alles wird eingebettet in die Welt der Literatur, in der die Frauen eine Ausdrucksmöglichkeit jenseits von Haushalt und Mutterschaft finden. Die Geschichte um Madame Tiquet gleicht fast einem Justizkrimi.

Mir war die Zeit um 1700 literarisch bislang kein Begriff. Die wahren Umstände weiblicher Autoren der Zeit fand ich sehr interessant. Allerdings hat das Buch einige Längen, da sehr viel Zeit auf die Beschreibung der pompösen Umgebung (oder deren Vortäuschung), die gepuderten Frisuren und andere Details verwendet wird. Eingearbeitet sind auch Märchen, wie sie in der damaligen Zeit entstanden sind. Diese sind für den heutigen Lesegeschmack sehr blumig. Das Buch ist eine Art Kostümfilm in Romanform, aufgrund des realen Hintergrunds aber durchaus reizvoll.

Wer eintauchen möchte in die gepuderte Welt Ludwig des XIV. und die märchenhafte Schriftstellerinnenszene, ist hier genau richtig. Ein zutiefst feministischer Roman über eine Zeit, in der man dies kaum vermutet hätte.

The Bee and the Orange Tree, Melissa Ashley, Affirm Press, Melbourne 2019, 372 Seiten

(Die Coverrechte liegen beim Verlag.)

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