Kim ist mit Ines verheiratet, sie haben drei Kinder und leben in Österreich. Sein 12jähriger Sohn Jonas hat sich eine ganz besondere Überraschung ausgedacht: Ohne Wissen seiner Eltern lädt Jonas zu dem Geburtstagsfest, von dem Kim gar nicht weiß, dass es stattfinden soll, Tevi ein. Jonas weiß nicht viel über die Vergangenheit seines Vaters. Er weiß aber, dass Kim als Jugendlicher aus Kambodscha geflohen und von dort zusammen mit Tevi nach Österreich gekommen ist. Hier hatte Ines‘ Mutter die beiden Flüchtlingskinder aufgenommen, als Ines noch ein Kind war. Kim hat Tevi seit über 20 Jahren nicht gesehen.
Tevis Besuch gestaltet sich nicht als reine Wiedersehensfreude, wie Jonas gehofft hatte. Denn nun brechen bei allen Beteiligten Erinnerungen auf. In Rückblenden aus wechselnden Perspektiven erfahren wir nach und nach, wie die Beteiligten aufgewachsen sind und ihre Lebenswege sich schließlich gekreuzt haben. Kim und Tevi haben in Kambodscha den Terror der Roten Khmer miterlebt. Dessen Auswirkungen werden intensiv geschildert (Vorsicht, es gibt heftige Gewaltdarstellungen!) , so dass nicht verwunderlich ist, dass insbesondere Kim am liebsten nie wieder daran denken wollte. Die Unmenschlichkeit dieses Regimes, das hauptsächlich Kinder zu Soldaten ausgebildet und willkürlich unzählige Menschen grausam ermordet hat, wirft Fragen auf, nach Verantwortung und Wahrheit, von denen jeder sich sein eigenes Bild gemacht hat.
„Wenn jemand nach der Zeit der Roten Khmer fragte, antwortete ich jedes Mal, dass ich das Glück gehabt hatte, nach dem Tod meines Vaters auf einer Entenfarm eingesetzt worden zu sein. Alleine – das war mein zweites Glück, betonte ich immer wieder -, keiner war da, der mich bespitzelte. Ich musste die Tiere betreuen, schlachten und in das nahe gelegen Arbeitslager bringen, wo sie gebraten wurden, um das Essen der Wachmannschaft aufzubessern. Sie liebten meine Enten, sagte ich abschließend immer, lachte dabei und schämte mich innerlich.“ (S. 15)
Der Roman setzt sich intensiv damit auseinander, wie verschiedene Menschen sich innerhalb eines Terrorregimes verhalten, um zu überleben, und wie sie später mit den traumatischen Wunden umgehen. Die Fragen, die der Roman aufwirft, entstehen allein durch das Kontrastieren der unterschiedlichen Charaktere, die allesamt sehr authentisch wirken. Die Handlung spitzt sich immer mehr zu, ein spannender Sog entsteht dadurch, dass sich Rückblenden und der Fortlauf der gegenwärtigen Handlung bei der Geburtstagsfeier so abwechseln, dass erst ganz zum Schluss klar wird, warum das Verhältnis der Personen heute so ist wie es ist. Dabei habe ich viel über Kambodscha gelernt, ein Land, von dem ich zuvor nicht viel gewusst habe.
Ein ausgesprochen gelungenes Buch über einen historischen Hintergrund, spannend und stringent erzählt, mit authentischen, sympathischen Charakteren. Ohne moralisierende Kommentare regt das Buch zum Nachdenken über Diktatur und Gewalt an. Toll!
Das Geburtstagsfest, Judith W. Taschler, Droemer Verlag, München 2020, 352 Seiten, 10,99 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.)
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