Freitag, 25. Oktober 2019

Frankfurter Buchmesse 2019, Tag 2


Am Donnerstag, den 17. Oktober war der zweite Fachbesuchertag der Messe. Unter anderem fand eine Preisverleihung statt.

Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen

Jedes Jahr stimmen die unabhängigen Buchhandlungen darüber ab, welches ihr Lieblingsbuch des Jahres ist. Unabhängig sind Buchhandlungen, die nicht zu einer der großen Ketten gehören (z.B. Thalia, Hugendubel, Osiander, Heymann etc.). Es handelt sich nicht um eine Juryentscheidung wie etwa beim Deutschen Buchpreis, sondern es sind Buchhändlerinnen und Buchhändler, die über den Preis abstimmen. Vor der Buchmesse wird eine Shortlist aus fünf Titeln veröffentlicht. Gewonnen hat dieses Jahr der Titel „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens (hanserblau Verlag).

Die Preisverleihung wird ausgerichtet vom Team der „Woche der unabhängigen Buchhandlungen“, die jedes Jahr Anfang November deutschlandweit stattfindet. Abstimmungsberechtigt sind die Buchhandlungen, die auch an dieser „Woche der unabhängigen Buchhandlungen“ teilnehmen. Die Veranstaltung sowie die Preisverleihung dienen dazu, den unabhängigen Buchhandlungen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Es sind gerade kleine Buchhandlungen, die die „Nahversorgung“ mit Büchern an vielen Ort außerhalb der Ballungszentren sicherstellen. Sie entscheiden unabhängig über das in ihrem Laden angebotene Sortiment, sichern also Vielfalt im Buchhandel. Dabei haben sie es in der Regel schwerer, das Geschäft wirtschaftlich zu betreiben, da die Verlage den großen Ketten höhere Rabatte beim Bucheinkauf einräumen (wegen der größeren Ankaufsmenge) und das finanzielle Risiko oft auf einem Inhaber allein lastet. Selten liegen diese Geschäfte in Spitzenlagen, da die Miete zu teuer wäre. Oft gehören diese Indie-Buchläden echten IdealistInnen, so dass ich sie gern unterstütze.

Die Woche der unabhängigen Buchhandlungen wird vom 2. bis 9. November 2019 stattfinden.

Gastland Norwegen

Am zweiten Tag hatte ich Gelegenheit, mir den Pavillon des diesjährigen Ehrengastes Norwegen anzusehen. Jedes Jahr darf ein anderes Land seine Literatur auf der Buchmesse vorstellen und dazu den großen Raum im 1. Stock der Halle 1 frei gestalten. Die Norweger zeigten einen klaren skandinavischen Stil – was auch sonst. Die beiden Schmalwände waren so geschickt mit Spiegeln verkleidet, dass der Raum unendlich groß wirkte und man aufpassen musste, nicht gegen die Spiegel zu prallen. Im Raum verteilt gab es künstlerisch gestaltete Tische, jeder hatte eine andere Form und verschieden geformte Aufbauten, auf denen thematisch geordnet Bücher ausgestellt waren, die jeder anfassen und die man hineinlesen durfte. Im Vorfeld der Messe werden in der Regel besonders viele Bücher aus dem Gastland ins Deutsche übersetzt.

Originell war ein Tisch mit lauter silbernen Döschen darauf. Was wie Gewürzbehälter aussah, war eine Sammlung von sehr ausgefallenen und eigenwilligen Düften / Gerüchen. Man sollte erraten, wonach sie riechen und konnte dies anhand von nummerierten Kärtchen sodann überprüfen. Aber ach, Vorsicht war geboten!! Die erste Dose, die ich erwischte, roch nach „toter Oma“ – kein Scherz! Nach diesem derart ekelhaften Dufterlebnis, ließ ich lieber die Finger vom Rest.

Viele norwegische Autoren, die alle hervorragend Englisch sprachen, waren auf der Messe zu Gast. Es gab auf zwei integrierten Bühnen Lesungen, Interviews und Diskussionen. Aufmerksamkeit erregten neben den bekannten norwegischen Krimis vor allem die Kinderbücher aus dem Gastland. Diese sind dafür bekannt, sich auch mit Tabuthemen zu beschäftigen, etwa Tod, Sex, Probleme muslimischer Jugendlicher in Norwegen etc.

Stargäste waren u.a. Karl Ove Knausgård und Maja Lunde („Die Geschichte der Bienen“). Letztere präsentierte ihren gerade erschienenen dritten Roman des Umweltquartetts, „Die letzten ihrer Art“. (Steht schon in meinem Regal und wird bald gelesen werden.) Wusstet Ihr, dass Maja Lunde auch Kinderbücher geschrieben hat?  „Die Schneeschwester“ (eine Weihnachtsgeschichte in 24 Kapiteln) ist ein reich bebildertes Buch, das ich leider noch nicht gelesen habe, das aber beim Durchblättern einen sehr guten Eindruck machte.

Diogenes Talk

Thomas Meyer und Simone Lappert
Ein Highlight war eine Veranstaltung des Diogenes Verlags, Zürich. Die Programmleiterin Ursula Bergenthal stellte vier AutorInnen und ihre neuen Bücher vor.

Thomas Meyer berichtete von seinem Buch „Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“, dem zweiten Band über den jüdischen Protagonisten Motti Wolkenbruch. Der Autor stellte sich die Frage, was wäre, wenn es die „jüdische Weltverschwörung“ tatsächlich gäbe. Motti muss mal eben die Welt retten, ist ja klar. Die Geschichte klingt so abstrus, dass es sehr komisch zu werden verspricht. Warum er diesen zweiten Band geschrieben hat, obwohl er beim Schreiben des ersten Buches doch gar keine Fortsetzung im Sinn gehabt hatte, erklärt Thomas Meyer so:
„Mit dem Schreiben ist es wie mit dem Verlieben, man weiß nicht, warum. Warum dieser „Wolkenbruch“ geschrieben werden wollte oder musste, das weiß nur er.“

Simone Lappert gab eine beeindruckende Vorstellung ihres Romans „Der Sprung“, indem sie den Prolog des Buches (mehrere Seiten) auswendig und emotionsstark deklamierte! Bereits auf der ersten Seite dieses Romans erfährt der Leser, dass eine junge Frau gerade vom Dach eines Hauses springt. Was davor und während ihres längeren Aufenthalts auf dem Dach geschieht, welche Menschen das Ereignis tangiert und welche unterschiedlichen Empfindungen diese haben, wird im Buch geschildert. Der Roman ist für den Schweizer Buchpreis nominiert.

Doris Dörrie stellte ihr Buch „Leben, Schreiben, Atmen“ vor und berichtete stolz von ihrem Schreibworkshop im Frankfurter Schauspielhaus am Abend zuvor. 500 schreibende Menschen, auf der Bühne und im Publikum, hätten sie sehr berührt.

Zu guter Letzt beeindruckte der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow bei der Lesung aus seinem Roman „Graue Bienen“ mit seinen hervorragenden Deutschkenntnissen. Der Roman beschäftigt sich anhand der Figur eines Bienenzüchters mit der Situation von Zivilisten im ukrainischen Kriegsgebiet Donbass. Spannendes Thema.

Abgerundet wurde der Abend durch einen Champagnerempfang am Diogenes-Stand.

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