Montag, 28. Oktober 2019

Besser, Doris Knecht

Besser – so findet Antonia ihr jetziges Leben mit Adam und den beiden gemeinsamen Kindern, besser als ihr früheres Leben. Adam kommt aus gutem Hause, ist gebildet und wohlhabend. Antonia betrachtet ihn als Garanten eines guten Lebens und als Schutz gegen das Unglück, das ihr ansonsten widerfahren könnte. Richtig dazugehörig zu Adams Welt und seinem Freundeskreis fühlt sich Antonia allerdings nicht. Aber sie tut so als ob. Sie würde alles tun, um in dieser behüteten Welt bleiben zu können, in der alles so normal ist. Endlich mal normal.


Mit ihrer Vergangenheit hat Antonia abgeschlossen. Außer ihrer Schwester Astrid betrachtet sie ihre Herkunftsfamilie als tot. Und genau das hat sie Adam erzählt. Der muss ja nicht alles wissen und sich nicht unnötig aufregen. Auch von ihrem Liebhaber braucht Adam nichts zu wissen.

Das Problem ist, dass Antonia befürchtet, jemand könnte ihre Verstellung bemerken. Bemerken, dass Adam eigentlich viel zu gut für sie ist. Dass sie nur ein Parasit ist, voll Schuld, eine Voyeurin, die dem Leben anderer zusieht, ohne ein richtiges eigenes zu haben. Es soll niemand wissen, dass Antonia das Unglück anzieht. Das Unglück in Form ihrer Vergangenheit aber klopft an. Es scheint ihr Schicksal zu sein.

„Das Schicksal hat mich mit Geheimnissen reich beschenkt, ich weiß gar nicht mehr wohin damit, ich finde in mir schon keine Schrankfächer mehr, in denen ich noch mehr Geheimnisse verstauen und verstecken könnte. Vielleicht sollte ich einmal das eine oder andere Geheimnis ausräumen, wegschmeißen, entsorgen. Vielleicht sollte ich endlich auf neue Geheimnisse verzichten, aber offenbar ist auch das eine Sucht, von der ich nicht loskomme. Die Sucht, neue, konventionelle, brave Geheimnisse zu sammeln, die ich dann vor die alten, bösen schieben kann, um die noch weiter nach hinten zu rücken, noch ein bisschen besser zu verstecken.“ (S. 156)

Doris Knecht betrachtet durch Antonias Augen die österreichische Gesellschaft mit kritischem Blick, die wohlsituierten Fassaden, den Fitnesszwang, die Beziehungswelt und die Kindererziehung. In bissigem Ton deckt sie Falschheiten und Absurditäten auf. Das perfekte Leben hat in Wahrheit eben niemand. Mir gefällt ihr direkter Ton, mit dem sie den alltäglichen Wahnsinn in Gesellschaft und Familie anspricht.

Antonia wirkt zunächst etwas oberflächlich, sie tut eben immer nur so als ob. Sie wirkt unbehaust und voller Selbsthass. Aber im Laufe des Romans reift sie, setzt sich auseinander, erkennt, dass das Schicksal auch in den eigenen Händen liegt und wir nicht nur dessen Opfer sind. Das macht wirklich Spaß mitanzusehen.

Ein bissiger Beziehungs- und Gesellschaftsroman mit einer erfrischend direkten Sprache und einer Protagonistin, die an Tiefe gewinnt. Macht Spaß!

Besser, Doris Knecht, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2014, 288 Seiten, 10,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags.)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Alles überstanden?, Christian Drosten, Georg Mascolo

Die Corona-Pandemie hat uns alle geprägt, bewegt, zur Verzweiflung gebracht. Mich hat der Podcast von Christian Drosten durch die Pandemie...