Samstag, 31. August 2019

Das Licht ist hier viel heller, Mareike Fallwickl


Dieses Buch bringt Licht und wirft dadurch Schatten. Männer und Frauen, Eltern und Kinder, die wiederum auch Männer und Frauen sind, ihre Beziehungen und die Schatten darin, darum und vieles mehr geht es in diesem Roman. Die Perspektive wechselt zwischen drei Personen, deren Geschichten sich im Laufe des Romans immer mehr verbinden.

Da ist zunächst Maximilian Wenger, ein in die Jahre gekommener Schriftsteller auf dem Tiefpunkt, ein typischer „alter weißer Mann“. Seine Romane verkaufen sich nicht mehr, Neues Schreiben kann er zurzeit auch nicht und seine Frau hat sich scheiden lassen, nachdem seine ständigen Affären und seine Abwesenheit ihr zwanzig Jahre lang auf die Nerven gegangen sind. Schlimm ist allerdings, dass seine Ex sich mit einem viel jüngeren Mann zusammengetan hat. Wenger leckt seine Wunden.

Dabei verliert er völlig seine beiden Kinder aus dem Blick, insbesondere die fast achtzehnjährige Zoey, die wie ihr jüngerer Bruder Spin mit dem Erwachsenwerden kämpft. Leider ist kein brauchbares erwachsenes Vorbild in Sicht. Sie ist verliebt. Aber das scheint der Erwählte nicht zu bemerken. Bemerkt eigentlich irgendjemand echte Gefühle, gibt es die überhaupt? Zoey weiß vor allem, dass sie nicht so ist, wie andere sie sehen und wie andere (vor allem die Mutter) sie haben wollen. Dann passiert „der Clash“, der Zoeys Leben mehr aus den Fugen bringt, als sie zunächst wahrhaben will, der es in ein Davor und ein Danach teilt.

„Ich schaue grimmig, wenn ich an Fred vorbei gehe, ich trage einen unsichtbaren Schild aus Trotz vor mir, er lächelt freundlich, er sagt nie ein Wort. Ich frage mich, ob man vielleicht tatsächlich stark wird, indem man einfach keine Schwäche zeigt. Oder ob ich mich selbst belüge. Denn in Wahrheit ließe ich mich sofort vertreiben, sollte er es versuchen. Es mag absurd sein, doch die Dunkelkammer ist trotz allem mein Refugium geworden, meine stille Zone, meine Zeitkapsel. Sie ist klein, nicht einmal sechs Quadratmeter, und das rote Licht gibt mir das Gefühl, in einer Höhle zu sein, in einem U-Boot, einem Mutterbauch. Meine Perspektiven haben sich verschoben, die Welt ist zu weit, ich verliere mich darin. Nur die Dunkelkammer hat die richtige Größe für mich. Hier kann ich alles aussperren. Hier existiere nur ich.“ (S. 224/225)

Dazwischen lesen wir Briefe einer Frau namens Marlen, die sich in Italien aufhält. Von dort spricht sie endlich aus, was zuvor unsagbar war. Sie verbindet damit unwissentlich die anderen handelnden Personen. In ihren Briefen geht es um Liebe, unverbindliche Beziehungen, Macht, Gewalt und Sex, das Frausein und die Wunden, die all das reißt. Was das alles mit Wenger und seiner Tochter zu tun, bekommt der allerdings als letzter mit.

Der Roman ist vielfältig in jeder Beziehung. Es greift viele aktuelle Themen auf, zeigt diverse Perspektiven und ist sprachlich raffiniert. Die Handlung entwickelt Sogwirkung. Die Charaktere sind menschlich und authentisch, ihre Gefühle haben mich zum Schwingen gebracht, so sensibel sind ihre komplexen Innenansichten beschrieben. Dabei ist die Handlung auch noch geschickt in den Literaturbetrieb im Jahr 2017 eingebettet, in dem die buchbloggende Autorin, die als „The Zuckergoscherl“ online wie offline schreibt, sich auskennt.

Ein starker Roman mit viel Raffinesse und Wucht, in dem sich Männer und Frauen aller Generationen wiederfinden werden. Klasse!

Das Licht ist hier viel heller, Mareike Fallwickl, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2019, 384 Seiten, 24,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für die kostenlos zur Verfügung gestellten Druckfahnen.)

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