Mir war aufgefallen, dass ich eine Bildungslücke hatte: Ich
hatte Tschick noch nicht gelesen! Bereits 2010 erschienen, schnell zum Bestseller,
Kinofilm und inzwischen zur Schullektüre aufgestiegen, war er mir irgendwie
durchgerutscht. Nun habe ich mein Versäumnis nachgeholt und bin begeistert.
Der Roman kommt in herrlich schnodderiger Jugendsprache
daher, die mir viel Spaß gemacht hat. Ob sie authentisch ist, kann wohl nur
jemand beurteilen, der im Jahr 2010 14 Jahre alt war. Es gibt „okaye
Ermahnungen“ von jemandem, der „nicht gerade endbescheuert“ ist. (S. 236) Aussprüche wie „Hast du
jetzt endgültig den Arsch offen?“ (S. 82) sind da noch das Wenigste.
Der Ich-Erzähler Maik Klingenberg geht in die 8. Klasse in
Berlin-Marzahn. Seine Vater ist Bauunternehmer und sehr reich, seine Mutter
Alkoholikerin. Beide haben ihre eigenen Sorgen. Maik empfindet sich als feigen Langweiler
und wird in der Schule von niemandem beachtet.
In seine Klasse kommt ein neuer
Schüler, ein Russland-Deutscher, dessen Nachnamen Tschichatschow keiner
aussprechen kann, weswegen er Tschick genannt wird. Alle finden, Tschick sieht
wie ein Asi aus mit seinen Billigklamotten. Und eine Alkoholfahne hat er in der
Schule auch. Aber dumm ist er nicht.
Kern der Geschichte ist ein Roadtrip, den Maik zusammen mit
Tschick in einem geklauten, kurzgeschlossenen Lada macht. Zwar wissen sie, dass
sie in die Walachei wollen (Gibt’s die wirklich?, fragt sich Maik.) Ohne
Straßenkarte und unter dem Radar der Polizei, also auf kleinen Landstraßen und
Feldwegen unterwegs, gurken die Jungs kreuz und quer durch die ostdeutsche
Provinz, manchmal auch quer feldein. Wer wollte nicht mal seinen Namen mit dem
Auto in ein Kornfeld schreiben?
Beide lockt das Abenteuer, sie wollen Neues erleben. Das
verbotene Autofahren, das Tschick auch Maik beibringt, reizt. Und auf einmal
ist das Leben gar nicht mehr so langweilig, wie es zuvor in Marzahn gewesen
ist. Eine Menge skurriler Menschen begegnet ihnen, sie machen jede Menge gefährliche
Dummheiten – was man als 14-jähriger eben so macht, wenn keiner hinschaut. Und
obwohl sie nur einige Tage unterwegs sind, kommen sie verändert – und mit
einigen Blessuren – von ihrer Reise zurück. Haben sie nun Mist gebaut oder
etwas Tolles erlebt?
„Soll ich’s ihnen noch zeigen?“, fragte er.„Mach, was du willst!“, schrie ich. Ich war so erleichtert.Tschick raste auf das Ende der Sackgasse zu, riss das Steuer kurz nach rechts und dann nach links, zog an der Handbremse und machte mitten auf der Straße eine 180˚-Drehung. Ich flog fast aus dem Fenster.„Klappt nicht immer“, sagte Tschick stolz. „Klappt nicht immer.“ (S. 93)
Der Roman hat Tempo, nicht nur durch die diversen
Verfolgungsjagden, sondern auch durch die Gedanken, die Maik durch den Kopf
rasen. Man fühlt beim Lesen das Herzklopfen, die Unsicherheit und den
Glücksrausch der Geschwindigkeit. Das Buch liest sich schneller, als der
verrostete Lada auf der Autobahn beschleunigen kann. Manches in dieser Geschichte
tut echt weh. Insgesamt aber ist sie voll positiver Energie und schelmischem
Grinsen. Nicht nur für Jugendliche zu empfehlen.
Ein rasanter
Roadtrip, der zu Recht Kultstatus erlangt hat. Gib Gas und lies es!
Tschick, Wolfgang Herrndorf, Rowohlt Taschenbuch Verlag,
Reinbek bei Hamburg 2012, 254 Seiten, 10,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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