Dienstag, 19. März 2019

The Female Persuasion, Meg Wolitzer

Der sehr umfangreiche Roman handelt vom modernen Feminismus in den USA des 21. Jahrhunderts. Im Zentrum steht die fiktive Feministin Faith Frank, eine Ikone der Frauenbewegung seit den 1960er Jahren und Herausgeberin einer feministischen Zeitschrift. Sie wird von Frauen vieler Altersstufen als Vorreiterin verehrt und genießt eine Popularität, die in Deutschland mit der von Alice Schwarzer vergleichbar wäre.


Die Erzählperspektive wechselt. Zunächst geht es um die junge, schüchterne Collegestudentin Greer, die Faith Frank auf dem Campus bei einem Vortrag kennenlernt. Sie fühlt sich von Faith ernst genommen und ermutigt und ergattert schließlich einen Job bei ihr in New York. Greer möchte etwas Sinnvolles leisten und ihre eigene Stimme finden.

Seit der High School ist Greer mit ihrem Freund Cory zusammen und stellt sich eine gemeinsame Zukunft mit diesem vor. Aber während Corys vielversprechendem Karrierebeginn verändert ein tragisches Familienereignis sein Leben nachhaltig. Er muss seine Pläne ändern.

Auf dem College freundet Greer sich mit Zee an, einer selbstbewussten, lesbischen jungen Frau, die seit Jahren Aktivistin in der Frauen- und Menschenrechtsbewegung ist. Auch Zee möchte sich für sinnvolle Ziele einsetzen und sich Gehör verschaffen, tut dies jedoch auf andere Weise als Greer.

Mit über 60 Jahren leitet Faith Frank eine Stiftung für Frauen, welche Vorträge organisiert und Hilfsprojekte für Frauen sponsert. Geldgeber der Stiftung ist der betuchte Emmett Shrader, den Faith seit Jahrzehnten kennt. Seine wirtschaftlichen Aktivitäten sind teilweise als zwielichtig verrufen, und dennoch finanziert seine Firma die Frauenstiftung großzügig.

In diesem Geflecht von Personen und Institutionen werden diverse Themen aufgeworfen, etwa wie mit Frauenfeindlichkeit und Übergriffen im System der amerikanischen Universitäten umgegangen wird. Was bedeutet es im heutigen Amerika, eine junge Frau aus der Provinz zu sein und keine Ivy League Universität besuchen zu können. Wer ermutigt solch eine Frau, sich in die Welt hinaus zu trauen? Wie geht ein junges Paar, das sich seit der High School kennt, mit der Zukunftsperspektive von Zusammenleben und Familiengründung um. Werden sie traditionelle Rollenzuweisungen brechen oder doch leben wie ihre Eltern es vorgemacht haben? Um Rollenzuschreibungen geht es auch für Zee, die ihr Frausein selbst definieren will, als sie sich der lesbischen Szene zuwendet. Sind Idealismus und Energie genug, um die Welt voran zu bringen und anderen zu helfen, oder wessen bedarf es dazu noch? Wo findet moderne Frauenbewegung im 21. Jahrhundert eigentlich statt? Sind es Demonstrationsmärsche auf der Straße, feministische Zeitschriften oder doch Internetforen und medienwirksam präsentierte Tagungen einer reichen Stiftung? Schließen sich Kapital und Frauenbewegung aus? Ist es schädlich, wenn neben der Diskussion politischer Themen auch eine Maniküre angeboten wird?

Die einzelnen Handlungsstränge sind dadurch verschachtelt, dass sie zunächst aus der Sicht einer Person dargestellt werden und erst viel später aus der Sicht einer anderen Person, so dass das Bild vervollständigt wird. Meg Wolitzer erzählt Situationen sehr detailreich, wodurch aus meiner Sicht erhebliche Längen entstehen. Insbesondere auf den ersten 150 Seiten, in denen aus der Sicht der naiven, unerfahrenen Greer erzählt wird, habe ich mich gelangweilt. Aus diesem Teil hätten mir auch zwei Schlüsselszenen gereicht. Durch das Wiederaufgreifen desselben Geschehens aus Sicht einer anderen Person entstehen weitere Längen. Es hätte dem Buch gut getan, wenn es um die Hälfte gestrafft worden wäre. Insbesondere im ersten Drittel wird der Feminismus in recht oberflächlicher Weise angesprochen und die ganz alten Hüte werden ausgepackt, die im 21. Jahrhundert getrost zu den Binsenweisheiten gezählt werden können.

„Kim was telling her how women in a corporate environment  were not always good to one another. (…) ‘We have this woman upstairs (…) I was in the elevator with her and she just stood there staring at the door, not saying a word, not even hi, and I wanted to say to her, I know I’m just an assistant, but don’t you know that we’re supposed to be decent to each other? I totally get that you feel threatened, because you’ve been made to feel that way. The ranks of women are kept really, really thin, so everyone feels that they’re the only one allowed in, and they can’t afford to be nice to other women.’” (S. 154/155)

 “’I think the ideas about what men and women are, what they essentially are, go very deep,’ she said. ‘That women are subordinate. That women will always be thwarted. These are the ideas that have taken hold everywhere. Sure there’s an economic piece, and that’s always been true. But there’s a psychological piece too, and we can’t forget it.’” (S. 167)

Später wird die Handlung etwas weniger vorhersehbar und es werden Fragen aufgeworfen, die sich in der Weise in den 60er Jahren nicht gestellt haben, als der Organisationsgrad der Frauenbewegung, die Kommunikations- und Vernetzungsmöglichkeiten ganz andere waren. Ohne Happy End auf ganzer Linie kommt die Autorin leider nicht aus, was mir etwas zu rosarot war. Meg Wolitzer spricht einige wichtige Fragen an, jedoch bringt sie die Handlung und Entwicklung der Personen für meinen Geschmack viel zu langsam voran, so dass man für über 450 sehr großformatige Seiten schon erhebliches Durchhaltevermögen braucht.

Ein frauenpolitischer Roman mit vielen Facetten, jedoch leider auch extremen Längen.

The Female Persuasion, Meg Wolitzer, Chatto & Windus Verlag (Penguin Random House Group) London 2018, 456 Seiten, englischsprachige Ausgabe

Zusatz-Info: Das Buch ist in deutscher Übersetzung unter dem Titel „Das weibliche Prinzip“ im DuMont Buchverlag 2018 für 24,00 EUR erschienen.

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