Mittwoch, 29. November 2023

Idol in Flammen, Rin Usami

Mit erst 21 Jahren veröffentlichte die japanische Autorin Rin Usami diesen Roman und gewann dafür gleich einen Preis. Sie berichtet in diesem kurzen Buch über einen Teil der japanischen Jugendkultur, von dem ich bis dahin gar nichts wusste. Popstars und Bands werden in allen Ländern der Welt verehrt. Der hier beschriebene Fankult hat jedoch eine andere Dimension.

Akari hat Schwierigkeiten in ihrem Leben. Sie kommt in der Schule nicht gut mit, in ihrer Familie herrschen Spannungen und sie fühlt sich auch ansonsten eher als Außenseiterin. Dazugehörig fühlt sie sich nur unter den gleichgesinnten Fans der Band Mazamaza, die auch für deren Mitglied Masaki schwärmen. Akari lebt in ihrer eigenen Welt, über die sie in ihrem Blog schreibt. Dabei geht es nicht um die Band als Ganzes, sondern eben nur um ihr Idol Masaki. Akari arbeitet neben der Schule in einem Lokal, um Geld für die Fanartikel zu verdienen. Warum tut sie das?

„Ich will den Menschen und sein Werk in ihrer Gesamtheit verstehen. Ich will die Welt aus Masakis Augen sehen.“ (S. 19)

Man kann von einer Obsession sprechen, wenn Akari Videos von Konzerten oder Interviews ihres Idols wieder und wieder ansieht, auf jede Geste und jedes Augenzucken achtet, Screenshots davon kauft, damit ihr keine Sekunde entgeht. Dabei ist der Bandkult sehr kommerzialisiert. Jede CD der Gruppe kauft Akari als Fan mindestens zehnmal, da jeder CD ein Code beigefügt ist, mit dem man im Internet für sein Lieblingsbandmitglied stimmen kann. Das Ranking wird ständig veröffentlicht und entscheidet darüber, wer auf der nächsten CD ein Solo singen darf.

Dabei möchte Akari nicht, dass sich die Kultwelt mit der realen Welt mischt. Sie möchte gar keine persönliche Beziehung zu Masaki haben, stellt sich nicht vor, dass es sie heiratet oder ähnliches. Zu groß scheint die Gefahr, dass etwas an ihm nicht mehr perfekt erscheinen könnte. Und auch, als Masaki einen Fan geschlagen haben soll, hält Akari weiter zu ihrem Idol. Sie braucht diese perfekte Welt, da sie sich in der realen Welt nicht auskennt und nicht zuhause fühlt.

Ich finde es erschreckend, von derartigen Auswüchsen der Popkultur zu lesen. Selbstverständlich war auch ich als Teenager Fan einer Band, hatte meinen Lieblingssänger und hing Träumen nach. Aber hier werden junge Menschen verheizt, um als Idole stilisiert zu werden und das Publikum mit immer neuen Fanartikeln in den finanziellen Ruin getrieben. Das Idol wird zur Gottheit und zum Ersatz für ein reales, sinnentleertes Leben, das nicht erträglich scheint. Akari ist nur eine andere Art Hikikomori, also wie die Menschen, die sich komplett von der Außenwelt zurückziehen, weil sie deren Anforderungen nicht mehr gewachsen sind. Akari interagiert noch mit Menschen, lebt aber nur in einer Scheinwelt und hat sich von echten Menschen längst innerlich abgekoppelt. Auch das Idol ist kein Mensch mehr. Sagt das nicht viel aus über den Zustand einer Gesellschaft?

Ein erschreckendes Portrait der japanischen Idolkultur, die das Ergebnis einer unmenschlichen Gesellschaftsstruktur ist. Interessant zu lesen, aber dringend abzuschaffen!

Idol in Flammen, Rin Usami, aus dem Japanischen übersetzt von Luise Steggewentz, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2023, 128 Seiten, 18,00 EUR

(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Verlags. Ich danke dem Verlag für das kostenlos zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar.)

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