Parallel dazu erzählt uns die in Brooklyn lebende jüdische Schriftstellerin Nicole,
die der Buchautorin ähnelt, ihre Geschichte. Sie ist innerlich fixiert auf das
Hilton Hotel am Strand von Tel Aviv, das sie schon oft besucht hat, und welches
auch in ihrem neuen Roman eine Rolle spielen soll. Leider hat sie noch keinen
Satz von diesem Werk geschrieben. Sie lässt Ehemann und Kinder in New York und
fliegt nach Tel Aviv. Ihre Schwäche für Franz Kafka zieht sich durch die ganze
Erzählung. Er selbst erscheint ihr. Ferner begegnet ihr ein (angeblicher?)
Literaturwissenschaftler mit Zugang zu einer abenteuerlichen Theorie über
Kafkas Ableben und dessen unveröffentlichtes Werk. Es ist insbesondere das
Innenleben der Autorin, das rätselhaft erscheint, obwohl auch die äußere
Handlung teilweise schwer nachvollziehbar wirkt.
„Die Idee, an zwei Orten zugleich zu sein, begleitet mich schon lange. Solange ich mich erinnern kann, sollte ich sagen, denn eine meiner frühesten Erinnerungen ist die an eine Kindersendung im Fernsehen, bei der ich mich plötzlich selbst in dem kleinen Publikum im Studio entdeckte.“ (S. 58)„Ich war ich selbst, fühlte mich völlig normal in meiner Haut, und doch hatte ich gleichzeitig das plötzliche Gefühl, nicht mehr auf meinen Körper beschränkt zu sein, (…) Nicht als Seele oder Schwingung. Sondern mit dem ganzen Körper, (…).“ (S. 60)
Das Buch enthält philosophische Lebensreflexionen der beiden
Charaktere, Gedanken über das Wirkliche und das Unwirkliche, die Grenzen
zwischen Diesseits und Jenseits, die An- oder Abwesenheit von Gott und verschiedene
Formen der Realität. Es bleibt verschwommen, welche Teile der Handlung wirklich
geschehen und welche vielleicht nur im Geiste erlebt werden. Die Geschichten
spielen sich in der jüdischen Gesellschaft New Yorks und Israels ab, deren
Eigenarten werden geschildert. Die Besonderheit Israels im jüdischen Leben wird
beleuchtet.
Dieser skurrile Roman lässt mich etwas perplex zurück. Er
liest sich flüssig und nicht unspannend, sofern man sich auf die mystische,
spirituelle Ebene einlässt, die Teil des Alltagserlebens der Handelnden ist.
Geholfen hat vielleicht, dass ich an allen Orten des Geschehens schon gewesen
bin und die geheimnisvolle Atmosphäre des hoch gelegenen Safet selbst erlebt
habe. Als Literaturbegeisterte kann ich nachvollziehen, wie sich die erzählende
Autorin in Kafkas Werk versenkt. Dessen Begriff der Verwandlung spielt für sie
eine große Rolle. Aber es bleibt eine fremdartige Welt, die ich nur von außen mit
Verblüffung betrachten kann.
Kein Buch für jeden,
aber auf jeden Fall mal etwas ganz anderes!
Waldes Dunkel, Nicole Krauss, aus dem Englischen von Grete
Osterwald, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018, 382 Seiten, 24,00 EUR
(Die Verwendung des Coverbildes erfolgt mit freundlicher
Erlaubnis des Verlags.)
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